Gerade aus dem Winterschlaf erwacht, und schon in den Fängen einer neugierigen Biologin. „Murmeltiertag" im schweizerischen Avers.
Für den Schweizer Schriftsteller Robert Walser war der Winter zu Beginn des Jahrhunderts ein liebes Vergnügen. „Ich freute mich über die Aufgabe, über das Amt, über die angenehme Pflicht, die mir vorschrieb, sorgfältig und aufmerksam Notiz vom Schnee und seinen Reizen zu nehmen.“ Immer wieder beschrieb er den weichen, warmen Schnee, der der Welt Ecken, Spitzen, Kanten nimmt, alles Harte, Grobe, Holprige. Der alles Geräusch, allen Lärm, alle Töne und Schall in sich vereinnahmt und die mannigfaltigen Erscheinungen zu einem einzigen, sinnenden Ganzen verbindet. Es ist das Bild einer gedämpften, unberührt in sich ruhenden Landschaft, das sich – gegen die eigenen Erfahrungen – bis heute bei winterlichen Fantasien in den Vordergrund drängt. Es gipfelt darin, dass die gesamte Welt als „still und starr“ empfunden wird.
Film von Sylvia Stasser und Wolfgang Würker
Kamera: Niko Stein
Schnitt: Giusi Violani, Eva Voosen
Musik: Anne Bärenz und Frank Wolff
Redaktion: Hans Helmut Hillrichs
Spätestens mit der Erfindung der Skier, seit Beginn des Wintertourismus sind Ruhe und Beschaulichkeit der kalten Jahreszeit fast überall verloren gegangen. Mit Seilbahnen lassen sich extrem abweisende Gipfel von jedermann erobern. Die Pracht anhaltender Schneefälle führt nur noch selten zu erzwungener Einsamkeit, und hart gefordert sind allenfalls die Räumungsdienste. In der Schweiz wird der freie Zugang selbst zu höchstgelegenen Orten längst als teurer, aber selbstverständlicher Kostenfaktor akzeptiert. Schon in den fünfziger Jahren war ein Winter den Kantonen und Gemeinden im Schnitt 200 Millionen Franken wert. Auf glatten Brettern über glatte Pisten gleiten: dies ist – frei nach Wolf Schneider – inzwischen die vorherrschende Art, mit den Alpen umzugehen. Lärm statt Stille, Tempo statt friedlicher Ruhe – so erleben die Menschen heute in der Regel die kalte Jahreszeit.
Unser Film über den Schnee entwickelt sich im Spannungsfeld zwischen der „alten“ und der „neuen“ Winterwelt. Dabei ist es das „weiße, wirbelnde Nichts“, das seine Spuren auslegt und uns von einem Schauplatz zum nächsten führt. Auch nach Davos, auf Thomas Manns „Zauberberg“.